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Zankl.update - Das Online-Update im bürgerlichen Recht

Beitrag von ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfang Zankl

Diese Ausgabe behandelt die neueste Judikatur des OGH zu den Themen:
- COVID-19 und Mietzinsminderung im Reisebüro
- Unterhalt an Exgattin trotz neuer Partnerschaft
- Trauerschmerzengeld nur bei inniger Nahebeziehung
- Unklarheit über Vater: Mutter muss Kind testen lassen 


COVID-19 und Mietzinsminderung im Reisebüro

In diesem Fall geht es um den Entfall oder die Minderung des Mietzinses, wenn Geschäftsräume wegen Covid nicht oder nur eingeschränkt benützbar sind. Eine Regelung wird in §§ 1104 f. für den Fall einer „Seuche“ getroffen. Die Preisgefahr für „außerordentliche Zufälle“ trägt demnach der Vermieter. Umstritten ist die rechtliche Lage dennoch. Die Klägerin in diesem Anlassfall war die Vermieterin eines Geschäftlokals, das als Reisebüro genutzt wird, die Beklagte dessen Mieterin. Der Grund für den Streit war der von 16. März bis 30. April andauernde „Lockdown“, während diesem die Klägerin ihr Reisebüro schließen musste. Der erwirtschaftete Umsatz in dieser Zeit betrug im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum nur einen Bruchteil (weniger als 10 %). Obwohl ab 1. Mai 2020 keine gesetzliche Beschränkung mehr für die Geschäftstätigkeit der Beklagten galt, ließ diese das Geschäft noch geschlossen. Ab Juni 2020 öffnete die Betreiberin das Geschäft für vier Stunden am Tag und ab Herbst bis 16. November zwei bis drei Stunden am Tag. Die Beklagte zahlte den Mietzins für den Monat März schon vor dem 16. März 2020, teilte der Vermieterin jedoch am 27. März 2020 schriftlich mit, dass sie die Mitzinszahlungen wegen des Betretungsverbots für den Kundenbereich bis auf Weiteres einstelle. Am 3. April lehnte dies die Klägerin ab und mahnte am 10. April 2020 den Mietzins für April 2020 bei der Mieterin ein. Im April 2020 zahlte die Beklagte keinen Mietzins. Im Mai 2020 zahlte sie dann die Differenz zum Gesamtmietzins durch Aufrechnung mit dem aliquoten Mietzins für März 2020.
Die Klägerin begehrte die Zahlung der anteiligen offenen Mietzinse für April und Mai 2020. Begründet hat sie dieses Begehren damit, dass der Kundenbereich zwar nicht genutzt werden konnte, die Bürotätigkeiten des Reisebüros aber nicht von den Maßnahmen betroffen waren. Es sei ihrer Meinung nach keine Mietzinsminderung von mehr als 30 % gerechtfertigt, weswegen sie 70 % des Mietzinses fordere. Pandemiebedingte Nachteile der Beklagten habe nicht sie als Vermieterin, sondern die Beklagte als Unternehmerin zu tragen. Die Beklagte wandte ein, von 16. März bis 30. April 2020 sei das Geschäftslokal „objektiv gänzlich unbrauchbar“ gewesen, weshalb sie für diesen Zeitraum zum Einbehalt des gesamten Mietzinses berechtigt gewesen sei. Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zu einer Zahlung von 1.006.30 EUR. Der Beklagten stehe eine Mietzinsminderung zu, diese sei nach der Gebrauchseinschränkung für das Bestandsobjekt zu bemessen. Die Beklagte schulde daher für die Zeit von 1. bis 15. März den gesamten und für die Zeit von 16. bis 31. März 2020 sowie für den Monat April 2020 den aliquoten Mietzins von 70 %, während ab Mai 2020 wieder der volle Mietzins zu bezahlen gewesen sei. Das Berufungsgericht machte eine Kehrtwendung und wies das gesamte Klagebegehren ab. Die COVID-19- Pandemie und deren Folgen seien nicht dem allgemeinen Unternehmerrisiko zuzuordnen. Ein Restnutzen des Bestandobjekts habe für die Beklagte infolge des massiven Umsatzrückgangs auf 10 % nicht mehr bestanden, weshalb das gesamte Klagebegehren nicht berechtigt sei.
Der OGH stellte das Urteil des Erstgerichts wieder her. Zwar hat der Oberste Gerichtshof wiederholt entschieden, dass keine Miete zu zahlen ist, wenn ein Geschäftslokal aufgrund eines Betretungsverbots infolge der Pandemie unbenützbar ist. Aber: Schon die bloße Möglichkeit, das Geschäft in irgendeiner Form weiterzuführen, kann als verbleibender Restnutzen zu werten sein - es sei denn, die Weiterführung wäre dem Mieter nicht bzw. nicht sofort zumutbar. Ein pandemiebedingter Umsatzrückgang reicht für sich alleine noch nicht aus, um einen Anspruch auf Entfall des Mietzinses zu begründen. Umsatzeinbußen sind nur dann für eine Minderung des Mietzinses beachtlich, wenn die behördliche Schließung des Geschäftslokals dafür kausal gewesen ist, nicht aber, wenn diese auf andere Gründe, wie etwa auf die Verminderung der Reiseaktivitäten zurückzuführen sind (3 Ob 209/21p).

Dieses Update betrifft folgende Teile der Bücher:
o Zankl, Bürgerliches Recht9 Rz 172
o Zankl, Casebook Bürgerliches Recht10 Fall 132
o Zankl, Zivilrecht 243 Seite 68 und unter dem Begriff „Miet- oder Pachtzinsminderung“


Unterhalt an Exgattin trotz neuer Partnerschaft  

Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die Klägerin eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, die zu einem Ruhen ihres Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt führte. Ausschlaggebende Elemente für den Bestand einer Lebensgemeinschaft sind: Eheähnlichkeit, eine gewisse Dauer und Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft. Der Oberste Gerichtshof legte jedoch fest, dass die drei Gemeinschaftselemente im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets gleichzeitig vorhanden sein müssen. Eine Wirtschaftsgemeinschaft umschreibt der OGH damit, dass die Partner „Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen“. In dem vorliegenden Fall wohnten die Klägerin und jener Mann, den sie 2013 nach der Scheidung von dem Beklagten kennengelernt hat, seit 2017 getrennt in übereinander im selben Haus liegende Wohnungen. Die Klägerin und ihr Partner trennten ihre Lebensbereiche strikt. Es befanden sich keine persönlichen Gegenstände in der Wohnung des jeweils anderen. Keiner besaß einen Schlüssel zur Wohnung des anderen. Eine gemeinsame Haushaltsführung war nicht zu erkennen: Sie kauften weder gemeinsam ein, noch kochten und aßen sie zusammen. Auch finanziell bestand keine Verflechtung, Kosten von Urlauben oder Ausflügen wurden penibel geteilt und abgerechnet.
Vor diesen Hintergründen gelangten die Vorinstanzen übereinstimmend zu der Auffassung, dass bei dem gebotenen Gesamteindruck die Umstände für die Annahme einer Lebensgemeinschaft nicht ausreichen. An dieser Beurteilung hatte der OGH nichts auszusetzen. Eine Wirtschaftsgemeinschaft hätte das Paar nicht begründet. Der OGH führte als Antwort auf einen Eindruck des Beklagten aus, dass auch wenn das Paar ihr Zusammenleben gezielt darauf abgestimmt hätten, dass sie nicht die Kriterien einer Lebensgemeinschaft erfüllen, eine Sittenwidrigkeit nicht vorliegt: „Letztlich bleibt er (Anm.: der Beklagte) jegliche nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, warum aus dem bewussten Entschluss der beiden, keine Lebensgemeinschaft miteinander einzugehen, ein Ruhen seiner Unterhaltspflicht abzuleiten wäre“ (1 Ob 98/22a).

Dieses Update betrifft folgende Teile der Bücher:
o Zankl, Bürgerliches Recht9 Rz 407
o Zankl, Casebook Bürgerliches Recht10 Fälle 77, 81
o Zankl, Zivilrecht 243 Seiten 136 ff und unter dem Begriff „Unterhalt des geschiedenen Ehegatten“

Trauerschmerzengeld nur bei inniger Nahebeziehung  

Personen kann für die Trauer über den (grob verschuldeten) Tod eines nahen Angehörigen ein Schadenersatzanspruch zustehen (Trauerschmerzengeld). Auf Grundlage dieser Rechtsprechung meinte nach dem Tod ihrer Mutter die Klägerin einen Anspruch auf Trauerschmerzengeld zu haben. Der Grund für dieses Verfahren war eine Verwechslung der Medikamente von Bewohnerinnen eines Pflegewohnheims. Die darin betreute Mutter der Klägerin verstarb daran, dass ihr eine Pflegekraft ein für eine andere Heimbewohnerin bestimmtes Medikament verabreicht hatte. Die Klägerin erhob deswegen einen Schmerzengeldanspruch. Geschützt hat sie ihr Begehren auf die Einbeziehung in den Schutzbereich des Heimvertrags und auf ein Organisationsverschulden des Heims. Die Betreiberin des Pflegewohnheims habe ihre Mitarbeiter nicht darauf eingeschult, Patienten in Fällen einer Medikamentenverwechslung Aktivkohle zu verabreichen. Argumentiert hatte die Klägerin den Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter damit, dass sie als Tochter eine Fürsorgepflicht gegenüber der Mutter treffe. Sie habe also ein Eigeninteresse daran gehabt, dass ihre Pflichten zur Pflege der Mutter auf das Heim übergehe. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte aus, die Klägerin sei vom Schutzbereich des Heimvertrags nicht erfasst. Die Verabreichung der Aktivkohle sei zum Zeitpunkt des ärztlichen Einschreitens nicht mehr möglich gewesen und mangelnde Einschulung nicht vorliegend.
Der Oberste Gerichtshof schloss sich dieser Argumentation an. Außerdem verneinte er im vorliegenden Fall eine typischerweise bestehende innige Nahebeziehung von im Heim untergebrachten Personen zu Außenstehenden. Die Frage, ob die Tochter der vertraglichen Leistung des Heims nahestand, beantwortete der OGH nicht, da dies das grundlegende Problem der Nahebeziehung nicht geändert hätte, da das innige Naheverhältnis zwischen Tochter und Mutter sowieso fehlte (6 Ob 241/21s).

Dieses Update betrifft folgende Teile der Bücher:
o Zankl, Bürgerliches Recht9 Rz 184, 185, 206, 210
o Zankl, Casebook Bürgerliches Recht10 Fälle 180, 181, 209, 210
o Zankl, Zivilrecht 243 Seite 69 und unter dem Begriff „immaterieller Schaden“

Unklarheit über Vater: Mutter muss Kind testen lassen 

Wenn ein Kind in aufrechter Ehe geboren wird, gelten die Verheirateten rechtlich als Eltern. Die Regelungen hierfür werden in den §§ 143 f. ABGB getroffen. In diesem Fall erklärte jedoch ein anderer Mann, dass er als biologischer Vater des Kindes infrage kommen würde. Die rechtliche Vaterschaft zu der Minderjährigen könnte er gegen Eheleute nicht erkämpfen. Was er jedoch schon erkämpfen könnte, ist ein Recht auf persönlichen Kontakt nach § 188 Abs 2 ABGB, falls es dem Wohl des Kindes dient. Der vermeintliche biologische Vater sah das gegeben, sofern er der biologische Vater ist, da in diesem Fall ein besonderes Verhältnis zum Kind bestünde. Das Erstgericht ordnete eine Vorführung der Mutter und der minderjährigen Tochter durch den Gerichtsvollzieher zum Amtsarzt an. Die Mutter weigerte sich jedoch der Vorführung nachzukommen. Kurz darauf beraumte das Erstgericht den Termin ab und widerrief den Vorführbefehl. Der OGH äußerte sich zu diesem Fall folgendermaßen: Die Mutter habe grundsätzlich bei einem angeordneten Vaterschaftstest mitzuwirken. Sie argumentierte nämlich „nicht mit Interessen, die der medizinischen Untersuchung entgegenstehen, sondern ausschließlich mit Beeinträchtigung durch das (befürchtete) Ergebnis“ (7 Ob 40/22s).

Dieses Update betrifft folgende Teile der Bücher:
o Zankl, Bürgerliches Recht9 Rz 429
o Zankl, Casebook Bürgerliches Recht¹⁰ Fälle 89, 154, 162
o Zankl, Zivilrecht 243 Seiten 138 ff. und unter den Begriffen „uneheliche Vaterschaft“ und „Feststellung der Nichtabstammung“

Alle monatlichen Zankl.updates auf einen Blick finden Sie hier: https://www.facultas.at/verlag/rws/zankl_update

28. September 2022



ao. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zankl

ist Universitätsprofessor am Institut für Zivilrecht der Universität Wien (www.zankl.at), Gründer und Direktor des weltweiten Netzwerks für IT-Recht (www.e-center.eu), Entwickler und Leiter der ersten juristischen Crowd-Intelligence-Plattform (www.checkmycase.com) und Foundation Member der Computer Ethics Society Hong Kong.

 © Privat

 

Literatur zum Thema

FlexLex Zivilrecht/Bürgerliches Recht

Fassung vom 15.2.2022

FlexLex Zivilrecht/Bürgerliches Recht

Veröffentlicht 2022
von Wolfgang Zankl bei facultas / FlexLex
ISBN: 978-3-99071-181-1

Die Gesetzessammlung beinhaltet folgende Gesetze: 1. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch 1.1. ABGB - Erbrecht vor ErbRÄG 2015 2. Amtshaftungsgesetz 3. Anerbengesetz 4. Auslandsunterhaltsgesetz 2014 5. Außerstreitgesetz (Auszug §§ 81 - 185, 207m) 6. Baurechtsgesetz 7. Bundes-Kinder- ...

Erbrecht

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Veröffentlicht 2019
von Wolfgang Zankl bei Facultas
ISBN: 978-3-7089-1793-1

Seit über einem Vierteljahrhundert bewährtes Lehr- und Praxishandbuch des Erbrechts: Die instruktive Darstellung mit zahlreichen Beispielen und Abbildungen sowie Fallbeispiele aus der aktuellen Rechtsprechung vermitteln das Erbrecht authentisch und ermöglichen vertieftes Studium und fundierte ...